„China, Reloaded“ Teil 1: Ohne Worte….

Ein Beitrag von Katja Nettesheim, _MEDIATE Gründerin & Geschäftsführerin

Ohne Worte…

…. erlebt man mich ja selten. Aber tatsächlich bin ich nach knapp zwei unglaublich intensiven Wochen in China genau das: sprachlos. Sprachlos, weil ich schon nicht weiß, wie ich diese Eindrücke sortieren, geschweige denn beschreiben soll. Sprachlos, weil sich noch zeigen muss, was die Rolle der Europäer im zukünftigen Innovationsspiel zwischen den USA und China sein soll. Sprachlos auch, weil mir diese Nation etwas Angst macht.

Aber wer mich kennt, der weiß: Sprachlos halte ich es nicht lange aus. Daher nähere ich mich an, Schritt für Schritt. In der nächsten Zeit veröffentlichen wir daher Blogposts, Fotos, Audios, Artikel rund um die Themen Innovation(-skraft), neueste Technologien und Weltwirtschaftspolitik, gespeist aus den Erlebnissen und Diskussionen in China, ergänzt um punktuelle Recherchen. Wir starten unsere Reihe „China, Reloaded“ heute mit dem ersten Eindruck aus Shanghai – und hier kann man sich auch für die kommenden Teile registrieren.

Das Foto oben scheint auf den ersten Blick kaum besonders. Ist es aber, denn es zeigt die einzige Person, die ich in fünf Tagen Shanghai und ausgiebiger Benutzung der U-Bahn mit etwas anderem als einem Smartphone in der Hand gesehen habe. Smartphone-Nutzung in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist einem als Großstädter ja nichts Neues, aber die Intensität, mit der die Shanghaier an ihren mobilen Geräten hängen, hat schon eine besondere Qualität. Man hatte fast den Eindruck, sie bezögen ihren Sauerstoff daraus …. Was wurde hier so intensiv konsumiert? Wenn man einen Blick auf die Screens warf, sah man eigentlich nie Inhalte, die nach längeren Schriftstücken aussahen – das höchste der textlichen Gefühle waren E-Mails. Statt dessen: Social Media, viele Videos oder Messaging, gelegentlich auch Spiele.

Gleichzeitig wartete ich immer darauf, dass jeden Moment etwas Einschneidendes passierte. Die Vorstellung, dass die „Smombies“ jeden Moment aus diesen Geräten ein Befehl erhalten und  sich auf Geheiß der Regierung im Gleichschritt in Bewegung setzen würden, machte sich immer wieder breit. Ein wenig unheimlich. Im Nachhinein hat sich dieses Gefühl gewissermaßen bestätigt: Es gibt eine sogenannte „50c-Partei“, die nach Recherchen eines Teams von Wissenschaftlern von Harvard, Standford und der University of California aus ungefähr zwei Millionen Internetarbeitern besteht. Neben ihrer Anstellung bei der chinesischen Regierung (honi soit qui mal y pense ;-)) setzen sie pro Jahr eine halbe Milliarde Posts ab, angeblich zu je 50 Cent Vergütung (daher der Name). Zweck ist nicht, Gegner von den Positionen der Regierung zu überzeugen, sondern die Gesamtbevölkerung gezielt abzulenken durch Posts, die vor allem gute Laune verbreiten. Nach einer kürzlich bei axios veröffentlichte Schätzung sind inzwischen ca. ein Drittel der Posts in den chinesischen sozialen Medien vom Staat gesteuert!

Und wer ablenken kann, der kann auch hinlenken….

Hier kann man sich auch für die kommenden Teile registrieren.

 

Quelle:
Gary King / Jennifer Pan / Margaret E. Roberts, How the Chinese Government Fabricates Social Media Posts for Strategic Distraction, not Engaged Argument, April 9, 2017, https://gking.harvard.edu/files/gking/files/50c.pdf