Facebooks “Instant Articles”: Reichweite vs. Exklusivität – Wovon können Verlage am meisten profitieren?

image

Es ist ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Strategien, das momentan in der Medienszene
zu beobachten ist. Während Branchengrößen wie die New York Times, Bild und
Spiegel durch ihre Teilnahme an Facebooks Instant Articles die
Reichweitenoptimierung als oberstes Ziel identifizieren („Dort sein, wo unsere
Leser sind“), schwören andere Medienmarken wie z.B. Netflix auf die
Exklusivität ihrer Inhalte – und lassen sich deren Konsum entsprechend
bezahlen. Doch welche Strategie zahlt sich für Verlage wirklich aus?

„Starke Inhalte finden immer ihren Weg zum Nutzer“ – es
findet wohl keine Podiumsdiskussion im Medienbereich statt, ohne dass dieser Satz
nicht irgendwann fällt. Das Problem daran: Wenn Medienhäuser an der Aufgabe scheitern,
diese Inhalte erfolgreich zu monetarisieren, helfen ihnen auch die besten
Geschichten nichts mehr. Deshalb haben sich zwei Strategien
herauskristallisiert, wie „Inhalteproduzenten“ die Monetarisierung ihrer
Inhalte sicherstellen wollen: Exklusivität oder Reichweitenoptimierung.

Zur Exklusivität greift beispielsweise der Streamingdienst Netflix.
Dessen Gründer Reed Hasting hielt auf der diesjährigen MediaConvention eine
viel beachtete Rede, in welcher er seine Entscheidung für exklusive Inhalte nochmals darlegte: Da ihm andere Sender keine Inhalte
überlassen wollen und Netflix gleichzeitig auch nicht von fremden Formaten
abhängig sein möchte, gab es für ihn nur eine Konsequenz: Netflix muss eigenen Premium-Content
produzieren, der ausschließlich auf der eigenen Plattform gezeigt wird (die
Lizenzierung der Inhalte, wie bei der Serie House of Cards in Deutschland
geschehen, soll nur eine Ausnahme gewesen sein).

Auf diese Weise behält Netflix die
Kontrolle über die Distribution der Inhalte und entscheidet selbst über die
Monetarisierungsstrategie – und dies bislang mit Erfolg. Im ersten Quartal 2015
verzeichnete das Unternehmen knapp 60 Mio. zahlende Abonnenten, mit einem
Umsatz von 1,4 Mrd. US-Dollar. Solche Erfolgsstories locken jedoch Nachahmer
an, Wettbewerber wie Amazon und Yahoo! versuchen neuerdings ebenfalls mit
selbstproduzierten Serien die Gunst der Nutzer für sich zu gewinnen. Eine
weitere Herausforderung: Damit das Exklusivitätsmodell funktioniert, muss
Netflix kontinuierlich eine Vielzahl hochqualitativer Inhalte produzieren – das
ist zum einen kostspielig, zum anderen aus kreativer Sicht nicht immer ganz
einfach.

Die andere Strategie hingegen wählen Portale
wie Buzzfeed oder VICE. Für sie steht die Reichweite im Vordergrund,
berichteten die Buzzfeed-Deutschland-Chefin Juliane Leopold und VICE-Redakteur
Max Hoppenstedt auf der MediaConvention. Ihre Inhalte sollen möglichst viele Nutzer
erreichen – über welches Medium oder
Plattform, ist ihnen letztlich egal. Deshalb gehen sie bereitwillig
Kooperationen mit Netzwerken wie Facebook oder Youtube ein, in der festen
Überzeugung, dass die enormen Reichweiten der Plattformen die eigene Monetarisierung
der Inhalte vorantreiben. Für Medienmarken, die stark auf Native Advertising
setzen wie Buzzfeed und VICE, ist diese Strategie sehr einleuchtend. Denn viel
Reichweite ist nun mal ein tolles Argument in den Verhandlungen mit
potentiellen Werbekunden, zumal die beiden Marken ein Kompaktpaket versprechen:
Buzzfeed beispielsweise liefert Artikel und Werbekampagnen aus einer Hand, ein
Angebot, das nicht nur von klassischen Werbekunden, sondern auch von öffentlichen
Stellen genutzt wird (Barack Obama nutzte Buzzfeed beispielsweise, um in einem
typischen Buzzfeed-Video
für seine Krankenversicherungs-Iniative healthcare.gov
zu werben).

Die Entscheidung der Branchengrößen
Bild, Springer und Co. pro Facebooks Instant Articles – und damit auch pro
Reichweitenoptimierung – hat hingegen verschiedene Beweggründe: Zum einen
natürlich der Zugang zu einer enormen Anzahl an Nutzern, die Facebook den
Verlagen anbieten kann. Fast alle Internetnutzer haben mittlerweile einen
Facebook-Account (und sind meist auch loyale
Nutzer) und gelangen so problemlos zu den Inhalten der Verlage. Axel Springer
verglich deshalb die Plattform mit einem Großhändler der Print-Welt, dessen
exzellentes digitales Distributionsnetzwerk man als Verlag eben nicht ungenutzt
lassen kann („Fish where the fish are“). Darüberhinaus zählt Comscore in den
USA die Nutzerzahlen der Instant Articles bereits zu den Online-Nutzerdaten der
jeweiligen Medienmarke dazu – und auch in Deutschland gibt es bzgl. der
IVW-Zahlen eine solche Zusicherung von Facebook. Die vergrößerte Reichweite ist
somit auch nach außen hin an die Werbekunden vermittelbar.

Zum anderen versprechen sich die
teilnehmenden Verlage noch einen weiteren großen Mehrwert, der weniger greifbar
ist, aber zahlreiche Potentiale birgt. Denn im Gegenzug zur Freigabe ihrer
Inhalte erhalten die Medienhäuser das Recht, die zahlreichen Möglichkeiten der
Facebook-Technologie für sich zu nutzen – und auf diese Weise auch den
digitalen Journalismus weiter voranzutreiben:

So haben die Verlage durch ihre
Teilnahme an Instant Articles z.B. Zugang zu spezialisiertem Wissen über ihre
Leser und können selbst deutlich genauer als bisher ausgesteuerte Werbung auf
Facebook und gegebenenfalls in ihren eigenen Umfeldern verkaufen, ohne die
Daten selbst (teuer) erheben zu müssen.

Das Gleiche gilt auch im Bezug auf die
User Experience: Gerade im Bereich Mobile hat Facebook in den vergangenen 18
Monate schließlich enorme Fortschritte gemacht –die Kooperationspartner werden
nun auf dieses Wissen aufbauen und die journalistische Leseerfahrung auch auf
ihren eigenen Mobile-Produkten möglichweise auf die nächste Stufe führen.

Zudem könnte – sofern Facebook und die
Verlage ihre Kooperation tatsächlich als Partnerschaft verstehen – die
US-Plattform den Publishern dabei helfen, aus Nutzern, die eher zufällig auf
vereinzelte Artikel auf ihrem News Feed gestoßen sind, durch gezielte
„Versorgung“ mit relevanten Artikeln im Stream und kürzeren Ladezeiten
langfristige Leser zu machen und gleichzeitig diese hinzugewonnene Loyalität zu
monetarisieren. Und auch beim Thema Paid Content erhoffen sich die Verlage Unterstützung
von Facebook, denn schließlich kündigten die US-Amerikaner bereits an, ein
Bezahlsystem für Instant Articles zu integrieren. Und sollte dies der Fall
sein, könnte Facebook für den Digitaljournalismus das sein, was iTunes für die
digitale Musik bedeutete: Eine umfassende, leicht zu bedienende
Bezahlplattform, die den bezahlten Konsum von kurzen Medienprodukten (Liedern
bzw. Artikeln) (wieder)eingegeführt hat. Das wäre doch eine großartige
Perspektive – nur schade, dass das (wieder) von einem Player außerhalb der
Industrie kommen musste…

Natürlich sind das noch sehr viele
Konjunktive – doch es bleibt eines festzuhalten: Facebook bietet Verlagen
Technologie an, die sie selbst nicht haben oder erst teuer aufbauen müssten. Deshalb
nehmen sie das Angebot gerne an und können sich so auf ihr Kerngebiet
konzentrieren (Stichwort „starke Inhalte“). Sie handeln somit gemäß dem Motto:
Warum etwas selbst entwickeln, wenn es schon jemanden anderen gibt, der es
besser macht.

Doch zurück zur Ausgangsfrage „Exklusivität
vs. Reichweite“: Es wird spannend zu sehen, welche Erfahrungen die Medienhäuser
mit den jeweiligen Strategien machen werden. Entscheidend aus unserer Sicht ist
jedenfalls der Mut, unterschiedliche Monetarisierungsmöglichkeiten auszuprobieren
und dabei Erkenntnisse für zukünftige Finanzierungsformen zu finden. Denn ein
weiterer Gemeinplatz ist die Überzeugung aller Medienvertreter, dass mit
Werbebannern allein der Journalismus nicht überleben wird. Deshalb hilft es
jedem Verlag, die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Monetarisierung
auszuprobieren und individuell zu entscheiden, welches Modell für die
jeweiligen Inhalte am besten geeignet ist.

Möchten auch Sie einen Überblick über
die neuesten Möglichkeiten der Monetarisierung erhalten mit ihren jeweiligen Potentialen für Ihr
individuelles Medienhaus? Dann wenden Sie sich an uns. _MEDIATE ist ein
Unternehmen, dass seit 7 Jahren etablierte Medienunternehmen beim Finden neuer
Geschäftsmodelle unterstützt. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.