Zeit für Optimismus: Warum Journalismus das nächste Big Business ist

image

Der Beginn eines Jahres gibt eigentlich immer Anlass zum Optimismus, sowohl aus persönlicher als auch aus beruflicher Sicht. Man nimmt sich einiges vor, vieles soll anders, besser werden. Doch die deutsche Zeitungsbranche scheint sich hartnäckig gegen diesen Brauch zu stemmen: “Ich kenne keine andere Branche, in der die Lust am eigenen Untergang so ausgeprägt ist wie in unserer,” stellte der stellvertretende
Chefredakteur des „Stern“, Thomas Ammann, erst in der vergangenen Woche auf dem Deutschen Medienkongress fest.

Dies ist für uns Anlass genug, an einen Text aus dem
vergangen Jahr zu erinnern, der von Optimismus gegenüber dem Journalismus nur
so strotzt und der Lust auf Innovation und Experimentieren macht: The Future of
the News Business
von Marc Andreesen.

Andreesen gilt aufgrund seiner Vorreiterrolle in der Browsertechnologie (als Gründer von Netscape in den frühen Neunzigern) sowie seiner
frühzeitigen Investments bei Facebook und Twitter seit vielen Jahren als eine
Art Halbgott im Silicon Valley. Umso bemerkenswerter, dass gerade jener
Technologie-Enthusiast in seinem Essay die Behauptung aufstellt, dass sich die
„news industry“ in den kommenden zwei Jahrzehnten mehr als verzehnfachen wird
und sich daraus hervorragende Chancen für Medienhäuser ergeben. Seine These:
Der verstärkte Nachrichtenkonsum, ausgelöst von den sozialen Netzwerken, erhöht
die Nachfrage nach Nachrichtenangeboten immens – und bedeutet für Verlage ein
riesengroßes Marktpotential.

Zudem könne nach Andreesen die aktivere Rolle der
Nutzer sowie der gestiegene Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Formaten
(Zeitungen, Fernsehsender und Magazine konkurrieren miteinander im Netz) zu
einem besseren und profitableren Journalismus führen. Doch knüpft er diese
Entwicklung an eine Bedingung, die auch die New York Times in ihrem Innovation
Report bereits als wesentlichen Weichensteller für digitalen Erfolg
erkannt hat: Der Vollzug der strikten Trennung zwischen Business und
Redaktion und die gemeinsame, unternehmerische Zuversicht. Schließlich er ist
überzeugt:

„No other non-monopoly industry lets product creators off the
hook on how the business works.“

Denn wenn sich nicht alle Verlagsmitarbeiter von liebgewonnen
Gewohnheiten der Vergangenheit lossagen – seien es nun gewisse Freiräume der
Redaktion oder des Festhaltens von Verlagsmanagern an alten Geschäftsmodellen –
gerate der Verlag als Ganzes unweigerlich in die Krise. Andreesen schätzt in
diesem Zusammenhang, dass im Moment 90% der Tätigkeiten in einem Verlag mit der
Verteidigung alter Gewohnheiten und Privilegien verbracht werden – eine unfassbare
Vergeudung von Ressourcen!

Stattdessen sollten sich alle Mitarbeiter einen
Alleininhaberblick angewöhnen und realistisch beurteilen, welche Produkte und
Fähigkeiten der Verlag unter den neuen Voraussetzungen wirklich benötigt.
Daraus wird abgeleitet, was von Bestehenden bleiben kann – und nicht stur
versucht, das Bestehende irgendwie in die Zukunft hinüberzuretten. Andreesen betont in diesem Punkt die Bedeutung von
Leadership, gerade in Zeiten der Transformation:

„The opportunity for
leadership in the journalism business, just happens to be same leadership
opportunity as in all businesses. Leaders just need to start leading.“

Kritisch sieht Andreesen darüber hinaus die
veralteten Strukturen der Verlage, die noch aus zeitungs-„monopolistischen“
Zeiten stammen und die der Grund sind für die fehlende Innovationsfähigkeit
mancher Medienhäuser: „There are some artifacts and ideas in the journalism
business that arguably are counterproductive to the growth of both quality
journalism and quality businesses.“
So hemmen die viel zu hohen Ausgaben der
Medienhäuser für aus Print-Zeiten stammende Extravaganzen („Nobody promised
every news outfit a shiny headquarters tower, big expense accounts, and lots of
secretaries“
) sowie die Macht der Gewerkschaften und der Pensionsregelungen
(„The better model for incentivizing employees is sharing equity in the company“)
die Wirtschaftlichkeit der Verlage.

Deshalb werden es auch nicht alle Verlage durch diese
Phase der Transformation schaffen, es wird zu erheblichen Konsolidierungen im
Zeitungsmarkt kommen, die auch traditionsreiche Blätter treffen werden.
Andreesens Fazit ist deshalb Warnung und Aufforderung zugleich: Es wird eine
harte und anstrengende Zeit, doch die Mühe wird sich lohnen. Und zitiert
abschließend den legendären Baseball-Manager Tommy Lasorda: „Nobody said this
fucking job would be all that fucking easy.”