Best of NYT Innovation Report (5/5): „User First“ als neue Handlungsmaxime

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Erfolgreiche Geschäftsmodelle zeichnen sich durch konsequenten Fokus auf das Kundenbedürfnis aus. Oder, wie es Amazon-Gründer Jeff Bezos formuliert: „We see our customers as invited guests to a party, and we are the hosts.“ „User First“ muss daher das neue Mantra auf allen Ebenen sein – als Strategie, als Prozess, aber auch als Mindset für die Mitarbeiter.

Für Verlage bedeutet dieser Ansatz vor allem eine neue Grundhaltung: Das Blattmachen alter Schule, bei dem die Redaktion durch die Auswahl der Texte bestimmte, was den Leser interessierte, darf es in dieser Form nicht mehr geben. Vielmehr ist jetzt das übergeordnete Ziel,

jedem individuellen Nutzer die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort im gebrauchstauglichen Format bereitzustellen – und zwar unabhängig von Produkt oder Medium

. Deshalb verfehlen Slogans wie „

Digital First

“ oder „

Mobile First

“ auch den eigentlichen Kern der nötigen Transformation. Der entscheidende Punkt ist nicht die Betonung einer weiteren technologischen Neuheit, sondern die langfristige Etablierung einer neuen Denkweise, bei der das Kundenbedürfnis absolut zentral ist.

Doch was bedeutet der „User First“-Ansatz in der Praxis? Für Verlage zum einen die Entwicklung ganz neuer Produkte, die allein auf die bestmögliche Überbringung der Information an den Nutzer in seiner konkreten Nutzungssituation abzielen. Für Fachverlage ist beispielsweise eine App für Wearables wie Google Glass oder Smartwatches denkbar. Über diese kann der Nutzer – z.B. ein Rettungssanitäter oder Heizungsbauer – direkt am Einsatzort die für ihn gerade erforderlichen Fachinformationen beziehen, ohne seine Tätigkeit unterbrechen zu müssen. Apropos Smartwatches: Für Zeitungen beginnt mit dem Einzug dieser Technologie im Massenmarkt eine neue Form der Berichterstattung: „Glance Journalism“ bedeutet Nachrichten auf Mikro-Level, ein kurzer Blick ans Handgelenk genügt, um das Nutzerbedürfnis nach schneller Information zu stillen. Publikumszeitschriften können den Service-Charakter ihrer Angebote erhöhen durch individuell für den Nutzer bereit gestellte Informationen – z.B. ein Link zu Fahrradtests als geo-codierte oder per Beacon ausgelöste Push-Mitteilung auf das Smartphone beim Aufenthalt im Fahrradladen.

Zum anderen können aber auch bestehende Produkte so angepasst werden, dass sie die Nutzerbedürfnisse besser erfüllen. So regen die Autoren des New York Times Innovation Report allgemein an, die Digitalangebote der NYT stärker zu personalisieren. Eine Möglichkeit dazu ist ein „Following“-Button, der dazu führt, dass einem Nutzer die Artikel seines Lieblingsautors prominent zur Verfügung gestellt werden (ein Feature, das inzwischen übrigens schon in der neuen App NYT Opinion umgesetzt wurde). Das Nutzerbedürfnis zur schnellen Information über bestimmte Themen kann durch News Alerts oder sogar Versand der entsprechenden Artikel per E-Mail erfüllt werden. Das Nutzerbedürfnis nach angenehmem Browsen durch verschiedene Artikel – eher die Lean Back-Nutzungsvariante – könnte durch Stimmungs-Tags und entsprechende Filtermöglichkeiten besser erfüllt werden.

Die besondere Herausforderung liegt – wie immer – in der konkreten Umsetzung des „User First“-Konzepts. Hier kann das von uns bereits häufig angewendete Wertschöpfungsgebäude helfen, mittels dessen neue Produkte oder Geschäftsmodelle unmittelbar ausgehend vom Kundenbedürfnis entwickelt werden. Die Folgen der Umsetzung des „User First“-Konzepts finden sich aber nicht nur auf dieser, sondern insgesamt auf drei unterschiedlichen Ebenen:

  • Produkt/Geschäftsmodell: Angereicherte oder neue Produkte und Geschäftsmodelle, direkt abgleitet aus dem Kundenbedürfnis (z.B. mithilfe des Wertschöpfungsgebäudes)
  • Organisation: Neu definierte Prozesse und Strukturen, ausgerichtet vor allem auf bestmögliche Erfüllung des Kundenbedürfnisses
  • Kultur: Ein neuer Mindset, nach dem die Erfüllung des Kundenbedürfnisses das oberste Unternehmensziel ist

Man sieht, die Konsequenzen der Umsetzung des „user first“-Konzepts sind weitreichend. Dennoch – unserer Ansicht nach gibt es dazu und zu der zugrundeliegenden digitalen Transformation langfristig keine Alternative. Darin werden wir auch von der internen Analyse der New York Times bestärkt, bei der ein Kollege eines Konkurrenzverlags mit den mahnenden Worten zitiert wird: „If you wait around for a generation of reporters to do this naturally, you are going to be left behind.