Was gab’s Neues auf der SXSW?
Tausende Speaker in Hunderten von Sessions – das SXSW-Festival hat meine Erwartungen im Vorfeld sogar noch übertroffen. Inputen masse also, deshalb hier ein Versuch, die Eindrücke und Erfahrungen ein wenig zu strukturieren,um die Ideen von Austin sobald wie möglich auch wirklich umzusetzen. Ganz gemäß dem Motto meines ersten Workshops dort: „How to keep ideas alive after Austin“ …
1. Verlage müssen sich noch stärker auf die Bedürfnisseder Nutzer einstellen
Ganz gleich, ob News-Startup oder etabliertes Medienhaus – in den USA ist
die Nutzerorientierung aktuell extrem. Ein großer Trend ist dabei das Thema
Timing, also den richtigen Inhalt zur richtigen Zeit zu bringen. So empfiehlt
der etablierte Informationsdienst Business Wire, Inhalte ganz gezielt auf die
Gewohnheiten der Nutzer zu jeder Tageszeit auszurichten. Heißt: Morgens ganz kurze Nachrichten,
bei denen der Inhalt bereits in der Überschrift zusammengefasst wird (ideal für
die schnelle Smartphone-Nutzung zwischendurch), abends ein Schwerpunkt auf
längere Stücke (für das ausführliche Tablet-Lesen auf dem Sofa), zudem Podcasts
für den Weg zur Arbeit im Auto oder im Zug. Bei ESPN gibt es für jeden
Longform-Artikel (dort formneutral sogar „enterprise piece“ genannt) eine
durchgeplante Distributionsstrategie, um diese Inhalte bestmöglich auf die
jeweiligen Kanäle zu verteilen. Zudem werden bereits im Vorfeld Social
Influencers und TV-Channels über neue „enterprise pieces“ informiert, damit
diese darauf bestmöglich vorbereitet sind – um so die Viralität der Geschichten
noch weiter zu pushen.
Ein anderes Kundenbedürfnis hat hingegen „The Street“ als ihren USP
auserkoren: Der Business-News-Provider
möchte seine Kunden reich machen. Deshalb gibt es ausgewählte
Wallstreet-News, welche die Entscheidungsfindung für Aktienanleger erheblich
erleichtern. Dieses Nischenkonzept geht auf: Die Nutzerzahlen weisen stark nach
oben, und für gute Finanztipps sind die User natürlich gern bereit zu zahlen
(Stichwort Paid Content).
Bei so viel
Input braucht man auch mal eine kurze Pause (das gilt auch für’s Smartphone 😉
)
2. Data driven or everywhere or longform journalism – und
alles natürlich mobile
Ohne das Thema Big Data ist mittlerweile keine Medienkonferenz mehr
vorstellbar – schließlich sind aus den theoretischen Überlegungen nun konkrete
Produkte geworden. In den
meisten US-Medienhäusern sind Programmierer bereits fester Bestandteil der
Redaktionen: Um Geschichten interaktiver zu machen, um ihr Funktionieren auf
allen Plattformen zu gewährleisten und um Artikel mit zusätzlichen Informationen
zu füllen bzw. den Redakteuren „the excuse of things not being known” zu nehmen,
wie es in einer Session mit Ben Casselman, Mitglied des FiveThirtyEight-Teams
(dem News-Portal des Datenexperten Nate Silver), hieß. Dabei sind Daten, sofern
sie transparent den Journalisten zugänglich gemacht werden, ein idealer
Ausgangspunkt, um die inhaltliche Tiefe von Geschichten zu verstärken und mit
Interviewpartnern und Beteiligten ins Gespräch zu kommen.
Aufsehen erregte zudem Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti mit seiner These, dass die Website
langsam verschwinden werde. „It doesn’t matter where our content lives,“
erklärte er in seiner Keynote, und erläuterte, dass es bei Buzzfeed nun ein
eigenes Team gibt, welches nur Artikel für die sozialen Netzwerke publiziert.
Dies fiel insgesamt auf: Es gibt unglaublich viele Ideen, welche Formate
sich für welches Medium durchsetzen werden. So stellte ein Panel die Frage in
den Vordergrund, ob und in welcher
Form „longform journalism“ auch digital funktionieren könnte. Und dabei wird durchaus visionär gedacht: “We need to
arrive at a digitally native product that is as far away from the article as
the smartphone from the landline phone”, so der Tenor der Session.
Das Thema Mobile war übrigens gar nicht mehr im Fokus der Konferenz – denn
es war sowieso schon eine Selbstverständlichkeit, jeder hatte ständig seinen
Blick aufs Smartphone gerichtet. Die Forderung, wie sie Pinterest-Gründer Evan
Sharp noch auf der Online
Marketing Rockstars-Konferenz Ende
Februar in Hamburg aussprach (“kill the website, only work on phone and tablet
versions“) hatten die meisten Teilnehmer und Vortragende in Austin bereits gänzlich
verinnerlicht – und probierten mit großer Freude die neue
Live-Streaming-App Meerkat aus.
3. Neue Geschäftsmodelle wie
direkte Monetarisierung des Nutzers werden zunehmend wichtiger für Verlage
Blendle-Gründer Alexander Köpping brachte das
Monetarisierungs-Problem auf den Punkt: „Currently it is more difficult to pay
for journalism online than
for f***ing Angry Bird. That is crazy because publishers cannot annoy
readers into subscriptions.” Ein Weg aus dieser Misere ist natürlich zum einen das
Thema Usability (oder wie es Millianials-Experte Jason Dorsey formulierte: „It
all comes down to one question: How simple can you make it, so it just works?“), zum anderen
aber auch die Öffnung hin zu neuen Einnahmequellen, weg von den klassischen
Werbeerlösen.
Besonders spannend war der Ansatz von Thrillist, einem digitalen -Medienhaus für die
männliche Zielgruppe. Deren Maxime lautet „We want to be the media company
closest to the customer’s wallets.“ Wie
das geht? Über die Integration von Warenangeboten eines verbundenen
Unternehmens auf der News-Website,
so dass die Seite sowohl der Quell der Inspiration, als auch der Ort des Kaufes
ist. Ben Lerer, Gründer von Thrillist, sieht schließlich den größten Wert von
Verlagen in ihrem originären Zugang zu den Kunden. Deshalb müsse nun eine
„transactional relationship“ zwischen Verlag und Nutzer einsetzen.
Natürlich wurde auch „Native Advertising“ diskutiert, insgesamt kontrovers,
besonders oft mit dem Hinweis, dass es vor allem um die Qualität des jeweiligen
Artikels geht: „Great content trumps frequency in native advertising. It’s all
about the story,“ so Lerer.
Auch das VICE Magazine sieht im
eigenen Inhalt den entscheidenden Trumpf gegenüber seinen Wettbewerbern, denn
dieser ist einzigartig und thematisch besonders langlebig. So kann ein Inhalt
für verschiedene Plattformen verwendet werden, sofern er – optimal für das
jeweilige Medium aufbereitet – jedes Mal neu verpackt wird. Damit erreicht VICE
durch Lizenzgebühren einen hohen Umsatzanteil, so dass das gesamte
Geschäftsmodell – neben Video – auf mehreren Einnahmequellen fußt.
Das Ausmaß der SXSW: Schlange bei Registrierung…
4. Innovationen benötigen
einen strukturierten Prozess
Natürlich wurde auch viel über Innovationen gesprochen, und das war bei
diesem technologiebegeisterten Publikum eine Freude. Viel Optimismus, viel Veränderungsbereitschaft und
viel Lust an Innovation waren in Austin zu spüren, so dass man am liebsten
sofort mit der Umsetzung der ganzen gewonnenen Ideen begonnen hätte.
Doch wurde deutlich, dass Innovation auch in den USA kein Zufall ist: So wies
Cary Tilds, Chief Innovation Manager bei GroupM, darauf hin, dass gute
Innovationen einen sehr strukturierten Prozess erfordern. Bei GroupM werden
beispielsweise alle neuen Märkte und Technologien regelmäßig analysiert und
darauf geprüft, ob sie für die eigenen Kunden und Portfolio-Unternehmen
interessant sein könnten. Zudem
helfe es aber natürlich, sich selbst und seine Führungskräfte regelmäßig von
Veranstaltungen wie der SXSW inspirieren zu lassen…
Google-Gründer Eric Schmidt machte noch einen weiteren interessanten Punkt.
Die ganze Diskussion über Innovation – ob jetzt fokussiert oder breit – könne
man sich eigentlich sparen, denn
schließlich seien sowohl Apple (fokussierte Innvovation) als auch Google (breit
gestreute Innovation) sehr erfolgreich. Wichtig sei nur der durch solche
Diskussionen ungebremste Innovationseifer.
“We Texans love to be good hosts”. Die freundliche Atmosphäre in Austin war hinreissend…
5.
Amerika ist doch einfach anders
Abschließend noch ein paar Gedanken zur amerikanischen Kultur, die mich
doch wieder auf‘s Neue erstaunt hat. Zum einen die Geschäftstüchtigkeit der
US-Amerikaner: Kaum stehe
ich einmal auf der Straße und warte auf einen Rückruf, schon erhalte ich einen
Kurz-Pitch von einem Gründer, der mich danach sofort auf LinkedIn verknüpft –
Networking at it’s best. Einher geht dies mit einem ausgeprägten
Selbstbewusstsein, das manchmal leider doch mehr Schein als Sein ist….
Auffallend war zudem das Alter
der Gründer: Während bei uns die meisten Gründer zwischen 25 und 35 Jahre alt
sind, streckt auf die Frage in einem Vortrag in Austin, wer denn hier Gründer
sei, eine große Menge Männer (leider!) mit ergrautem Haar die Hand hoch.
Seniorität gilt bei Start-up-Gründungen anscheinend als Pluspunkt, die
meisten Gründer haben schon mehrere Firmen aufgebaut, und erliegen immer wieder
dem Reiz, neue Technologien in einem Unternehmen nutzbar zu machen.
Last but not least: Die
Freundlichkeit der Amerikaner, überragend in diesen fünf Tagen, und am besten
dargestellt am Beispiel einer Frage
eines Volunteers des SXSW-Festivals, als ich gerade etwas fragend
umhergestanden habe: „Can I look this up for you and print it out, so you can
take it along?“ Fantastisch, diese Hilfsbereitschaft, und nicht zuletzt deshalb
heißt es für mich: Ich freu mich schon auf nächstes Jahr #sxsw2016!