„Die größte Herausforderung sind die neuen Marktteilnehmer“ Interview zum Digital Transformer of the Year

(welt.de / Bilanz) Der digitale Wandel ist in aller Munde, doch es besteht großer Nachholbedarf. So beurteilt sich die deutsche Wirtschaft selbst. Die Unternehmen, die den Wandel am besten umsetzen, sind nun ausgezeichnet worden.


Die Auszeichnung „Digital Transformer of the Year” im Automobilbereich erhält Daimler, im Bereich Industrie gewinnt Bosch, Braun im Bereich Life Sciences, die Haufe Group unter den Medienunternehmen sowie die Deutsche Kreditbank bei den Finanzdienstleistern.

Das Fachmedienhaus Vogel Business Media, die Transformationshelfer von Mediate und die Steinbeis School of Management and Innovation der Steinbeis-Hochschule Berlin die Initiative gestartet, den Grad der digitalen Transformation in Deutschland zu ermitteln. Dazu haben sie eine Online-Befragung über verschieden Branchen hinweg durchgeführt. Teilgenommen haben vor allem Großunternehmen, aber auch einige mittelständische und kleinere Unternehmen.

Katja Nettesheim ist Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Mediate und hat die Auszeichnung mit ins Leben gerufen.

BILANZ: Sie haben gerade erstmals einen „Digital Transformer of the Year” gekürt. Was steckt hinter der Initiative?

Katja Nettesheim: Durch die Preisträger und die Geschichten der Nominierten wollen wir zeigen, wie digitale Transformation gelingen kann. Deshalb haben wir den Preis auf fünf Branchen ausgerichtet: Automotive, Industrie, Life Sciences, Medien und Finanzdienstleistungen.

BILANZ: Was unterscheidet Ihre Initiative von anderen Preisen dieser Art?

Nettesheim: Es gibt schon digitale Preise, aber es gibt keinen, der so explizit auf die digitale Transformation von etablierten Unternehmen abzielt wie unserer. Und es gibt natürlich Unternehmen, die digital sehr gut sind. Aber uns geht es darum, einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der etablierten deutschen Wirtschaft zu leisten, indem wir die digitale Transformation voranbringen.

BILANZ: Und wie wurde der Digital Transformer ermittelt?

Nettesheim: Wir haben eine branchenübergreifende Online-Umfrage durchgeführt. Es gab über 1000 Rückläufe, darunter etwa 90 Prozent Führungskräfte. Wir haben zum Beispiel gefragt, wie ist der Stand der digitalen Transformation in Ihrer Branche, welches sind die Herausforderungen und vor allem, wen sehen Sie in Ihrer Branche, also unter Ihren peers, als das Unternehmen, das es am besten macht. Auf Grundlage dieser peer review haben wir eine shortlist aus drei Unternehmen pro Branche erstellt. Daraus wählt unsere Jury den jeweiligen Sieger aus.

BILANZ: Wie ist der Stand der digitalen Transformation in den verschiedenen Branchen?

Nettesheim: Über die Hälfte der befragten Unternehmen finden, ihre Branche habe die digitale Transformation nicht gut im Griff, die Finanzdienstleister sind besonders skeptisch. Besonders selbstbewusst hingegen ist die Medienbranche. Dies kann damit zu tun haben, dass sie früher als andere Branchen von der Digitalisierung betroffen war. Besonders weit vertreten, nämlich bei rund sechs von zehn Befragten, war die Erkenntnis, dass es erheblichen Nachholbedarf gibt. Ich bin froh, dass die meisten Unternehmen das verstehen – diese Einsicht ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

BILANZ: Was wollen Sie mit dem Preis erreichen?

Nettesheim: Mit dem „Digital Transformer of the Year” wollen wir Anreize setzen, die digitale Transformation in der deutschen Wirtschaft voranzutreiben. Aus meiner Erfahrung mit Kunden sehe ich, dass es durchaus die theoretische Bereitschaft zur Fortentwicklung gibt, gleichzeitig herrscht aber eine gewisse Verzagtheit – mangels Vorbildern, und weil es vielen auch noch zu gut geht.

BILANZ: Wie meinen Sie das?

Nettesheim: Wir gönnen es den Unternehmen natürlich, dass es ihnen wirtschaftlich gut geht. Aber das führt häufig zu einem Verharren in der Komfortzone. Uns geht es darum, mit diesem Preis einen Wettbewerb um die digitale Transformation anzustoßen.

BILANZ: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie?

Nettesheim: Positiv finde ich, dass der Nachholbedarf erkannt wird und dass die Unternehmen diesen anpacken wollen. Das zweite ist die Frage nach den Erfolgsfaktoren für das Gelingen der digitalen Transformation: Am wichtigsten finden die befragten Unternehmen die Entwicklung innovativer Kundenlösungen (Produkte oder Dienstleistungen), gefolgt von der Digitalisierung in der gesamten Unternehmensstrategie und einer digitalen Marketingstrategie. Mich hat sehr überrascht, dass die wenigsten der Befragten glauben, die digitale Transformation sei Chefsache.

BILANZ: Und Ihr Fazit: wo steht die deutsche Wirtschaft?

Nettesheim: Es gibt sicher einige Unternehmen in Deutschland, die das Zeug dazu haben, digitale Weltmarktführer zu werden. Doch die Ausgangsbedingungen sind in unterschiedlichen Teilen der Welt sehr unterschiedlich. Dennoch sehe ich Potenzial. Und es gibt bereits das ein oder andere deutsche Unternehmen, das ganz vorne mitspielt, zum Beispiel SAP. Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen zeigt unsere Studie, dass die neuen digitalen Marktteilnehmer und dadurch veränderte Wettbewerbsstrukturen als wesentlichste Herausforderung der digitalen Transformation anerkannt werden. Und das stimmt mich hoffnungsvoll.

 

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