Das Geheimnis von Googles Innovationskraft

… und was Medienhäuser davon lernen können

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Eric Schmidts Buch „How Google works“ ist das wohl wichtigste Management-Buch der letzten
Monate. Denn Schmidt erklärt darin, mit welchen Prinzipien Google es nun schon
seit fast zwei Dekaden schafft, Innovationen entstehen zu lassen. Allein
aufgrund dieser Kontinuität gilt Google als „Klassenbester“ in Sachen
Innovation und dient als Vorbild für die Innovationsinitiativen vieler
Medienunternehmen.

Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Aussagen von Eric Schmidt, ergänzt durch
die von Thomas Schulz aus seinem soeben erschienenen Buch „Was Google
wirklich will“, aus der Perspektive von Medienunternehmen zu betrachten
und so herauszuarbeiten, welche Maßnahmen auch für unsere Branche unmittelbar
anwendbar sind. Zudem möchten wir zeigen, ob und wie digital erfolgreiche
Medienunternehmen ihrerseits diese Prinzipien anwenden.

Als Fälle dienen uns hierfür vier Medienunternehmen, die von der Medienexpertin
Prof. Dr. Lucy Küng (Reuters Institute for the Study of Journalism) in ihrem
Buch „Innovators in Digital News“ als besonders innovativ bezeichnet
werden.

Sie teilen sich in zwei Gruppen auf, die wir in den nächsten Wochen durch einzelne
Blogbeiträge näher betrachten wollen:

  • Der Guardian und die New York Times als
    traditionelle Print-Zeitungen, die in den letzten Jahren die Transformation zur
    digitalen News-Marke durchgeführt haben;
  • Quartz und BuzzFeed als
    digitale „Pure Player“, die ohne Print-Hintergrund zu etablierten Marken der
    News-Landschaft wurden.

Gemein haben alle vier Marken nach Küng jedoch eines: digitalen Erfolg. 
Und genau diesen Erfolg möchten wir
entlang der von Eric Schmidt definierten Kategorien für Sie nachvollziehen. Am
Ende entsteht so ein Muster, welches zeigen wird, wie Medienunternehmen, und
damit auch Ihr Haus, Innovationen befördern können – 
sozusagen Innovation à la
Google.

Die einzelnen Teile unseres Reports im Überblick:

Teil 1: The Guardian

Teil 2: The New York Post

Teil 3: Quartz

Teil 4: BuzzFeed

Teil 5: Zusammenfassung

Googles Prinzipien für Innovation

Der alles entscheidende Hebel dafür, dauerhaft innovationsstark zu sein, ist laut
Eric Schmidt die Einstellung der richtigen Mitarbeiter – und das sind für
Google die „Smart Creatives“. Dies sind Mitarbeiter, die auf ihrem
Gebiet überragend sind und gleichzeitig da- rauf brennen, Neues kennenzulernen.
Oder, wie Schmidt deren Eigenschaften präzise aufzählt: „analytically smart,
business smart, competitive smart, user smart, curious creative, risky
creative, self-directed creative, open creative, thorough creative,
communicative creative“
.

Da jedoch jedes Unternehmen (im Silicon Valley und auch hier) gern solche
Mitarbeiter hätte, macht es sich Google zur zentralen Aufgabe, eine Unternehmensidentität
aufzubauen, die Smart Creatives anlockt. Diese ist – wie für Google typisch
– aus streng analyti- scher interner Forschung („People Analytics“)
abgeleitet. Schmidt definiert fünf Kategorien (mit der sechsten Ka- tegorie
„Innovation“ als Konsequenz), die den Kern von Google definieren:

1.
KULTUR

„Culture and success go hand in hand, and if you don’t believe your own slo- gans, you
won’t get very far“
, so Schmidt. Smart Creatives werden von einer Unternehmenskultur
angezogen, die darauf ausgerichtet ist, dass sie ihre Stärken voll ausspielen
können. Deshalb ist es die Aufgabe von Unternehmen, ein möglichst offenes und
kreatives Umfeld zu schaffen: „If you can’t tell someone how to think, then
you have to learn to manage the environment where they think“.
Und dieser
Prozess muss ganz am Anfang eines Unternehmens stehen, denn bei den meisten
Unternehmen „passiert“ die Unternehmenskultur einfach so. Das sei ein Fehler,
so Schmidt, denn so gerät die Kultur leicht in eine falsche, nicht-innovationsfördernde
Richtung. Ganze Abteilungen beschäftigen sich bei Google kontinuierlich
damit, optimale, glücklich machende Arbeitsbedingungen zu schaffen, um so
Innovationskraft, Produktivität und Loyalität der Mitarbeiter zu erhöhen.

2.
STRATEGIE

Weiterhin ist eine klare und kohärente Strategie erforderlich, denn „smart creatives
are most attracted to ideas that are grounded in a strong strategic foundation“
.
Während sich Projekte und Pläne kurzfristig ändern können („the plan is
fluid“
, „we’ll figure it out“-Ansatz), steht die Strategie für fundamentale
Überzeugungen. Bei Google sind dies:

  • Mit technologischer Expertise sehr große Probleme lösen
    (10x-Formel)
  • Wachstums- statt Umsatzorientierung
  • Den Wettbewerb kennen, ohne ihm zu folgen

Konkrete
Ausprägungen davon sind Googles bekannte Fixierung auf Kundennutzen und
Produktexzellenz.

3. TALENT

Bei Google ist man davon überzeugt, dass durch die Menge an herausragenden
Mitarbeitern auch tatsächlich handwerklich per- fekte Produkte und Services entstehen.
Außerdem werden durch genügend Smart Creative-Power auch neue Smart Creatives
angezogen – der klassische Herdeneffekt. Deshalb nennt Schmidt folgende
wichtige Eigenschaften, auf die er bei der Einstellung von Mitarbeitern immer
achtet: Leidenschaft für die Tätigkeit, Intelligenz, hohe Lernbereitschaft und
Charakter. „The character of a company is the sum of the characters of its
people, so if you strive for a company of sterling character, that is the
standard you must set for your employees“.

4. ENTSCHEIDUNGEN

Der Entscheidungsprozess mit Smart Creatives unterscheidet sich deutlich von der
traditionellen Praxis. Schmidt warnt seine Leser sogar, wie frustrierend es
manchmal sein kann, wie wenig Macht man als Chef dabei tatsächlich hat. Er
versuche daher, so wenig Entscheidungen wie möglich zu fällen und viel den
Mitarbeitern zu überlassen. Mit Freiheit, Eigeninitiative und im stetigen Austausch
entstünden die besten Innovationen. Und ein wichtiger Erfolgsfaktor liegt im
kleinen Wort „yes“: „Saying yes is how things grow. Saying yes leads to new
experiences, and new experiences will lead you to knowledge and wisdom. […]
An attitude of yes is how you will be able to go forward in these uncertain
times“.

5.
KOMMUNIKATION

Die Konsequenz dieses ständigen Austausches ist Offenheit. „When it comes to
communication, default to open. Maximize the velocity and volume of information
flow“
. Ohne diese Transparenz wäre auch die für Google typische „rasande
Kollaboration“, d.h. das Zusammenstellen von abteilungsübergreifenden Teams
aus dem Stand heraus, nicht möglich. Und das gilt auch für vermeintliches
„Herrschaftswissen“ der Führungskräfte: „The most effective leaders don’t
hoard information, they share it“.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Google keinen erstklassigen, ausgetüftelten
Innovations-Prozess hat, den man kurzerhand übernehmen könnte. Stattdessen
bereitet das Unternehmen den Humus für freie Innovation durch seine
herausragenden Mitarbeiter, durch eine Kultur der Entfaltung, eine klare und
dauerhafte Strategie, viel Autonomie und offene Kommunikation.