Wie sich die New York Times und die Washington Post gegen die Mobile-First-Konkurrenz wappnen

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Quartz, Circa, Buzzfeed
– neue, innovative Akteure prägen aktuell in hohem Maße die
Nachrichtenlandschaft in den USA. Die News-Start-ups begeistern mit ihren
Mobile-first/only-Strategien zahlreiche Nutzer, und sprechen dabei, wie im
Falle des Wirtschaftsportals Quartz,
auch Zielgruppen an, die bislang ihre Informationen bei etablierten
Zeitungsmarken wie der New York Times
oder der Washington Post bezogen.

Die alteingesessenen Verlage in den USA verschließen vor diesen Entwicklungen
jedoch nicht die Augen, sondern sind sich der enormen Herausforderungen der
aktuellen Transformationsphase durchaus bewusst. So ist sich Marc Frons, CIO
der New York Times, sicher, dass in „two or three years from now, we may see
mobile become the dominant platform with as much as 75 percent of our
audience.“
Deshalb leitet die NYT
auch entsprechende Maßnahmen im Bereich Mobile ein.

Diese Maßnahmen sind für deutsche Zeitungsverlage von hohem Interesse.
Schließlich haben auch viele deutsche Nachrichtentitel den Anspruch, im
Smartphone-Zeitalter weiterhin die primäre Anlaufstelle für hochwertigen
Journalismus zu sein. Deshalb hier ein kurzer Überblick über die aktuellen Mobile-Strategien
der beiden etabliertesten Vertreter der US-Zeitungswelt.

Washington
Post: Prototyping als Erfolgsrezept

Zuerst ein Blick zur Washington Post, die
nicht zuletzt aufgrund des öffentlichkeitswirksamen Einstiegs von Amazon-Gründer Jeff Bezos im Zentrum des
Medieninteresses steht – und dessen Einfluss sich übrigens beim Thema Mobile
schon dadurch bemerkbar macht, dass die Post-App
seit Herbst 2014 bei jedem neu gekauften
Kindle
vorinstalliert ist.

Die Washington Post versucht das Thema
Mobile strukturell im Verlag zu verankern. Deshalb wurde eine eigene Mobile-Development-Einheit eingesetzt, die es
sich zur Aufgabe gemacht hat, neue Ideen möglichst schnell als Produkt
umzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf einer Arbeitsmethode, die ihren Ursprung
bei Start-ups hat: Das Fast Prototyping. Dabei wird versucht, innerhalb
kürzester Zeit aus einer abstrakten Idee ein konkretes Produkt zu entwickeln,
um so Verbesserungspotentiale in der tatsächlichen Benutzung zu erkennen.

Die Produkte befinden sich somit in einer ständigen Beta-Phase – wie das Beispiel der
Post-App für Wearables zeigt. Hier hat das Mobile-Team bereits frühzeitig einen
Prototyp der App entwickelt und verschiedene Funktionen getestet, wie zum
Beispiel die Integration von Bewegtbild. Programmierungsfehler, die in der anschließenden Testphase auftauchten, wurden auf diese Weise sofort erkannt und konnten behoben werden. Zudem
berücksichtigte das Team die Erfahrungen der Testnutzer und optimierte auf dieser Basis die
Bedienung der App. Die beiden Mobile-Experten der Washington Post, Cory Haik
und Julia Beizer, schwören deshalb auf die Anwendung des Fast Prototyping: „Now that we’ve launched the new wearable
app, I can say without a doubt that if we hadn’t prototyped it first, it would
not be where I think this one is.“

Den Ablauf des Fast Prototypings muss man sich dabei wie folgt vorstellen: Systematisch
werden die Experten aus verschiedenen Fachgebieten (Redakteure, Designer,
Entwickler) hinzugezogen, um die aus ihrer Sicht notwendigen Funktionen bzw.
Inhalte für das Produkt zu entwickeln. So entsteht ein iterativer Prozess, an
dessen Ende ein erster Prototyp (z.B. eine Art “Rohfassung” der späteren App) steht. Dieses Herumtüfteln an einer Idee kann übrigens
ein paar Tage, aber auch nur ein paar Stunden dauern: „We of course have roadmaps for longer-term projects, but the best part
is the magic that’s happening within our micro sprints.“
, erklären Haik und
Beizer.

New York Times: Mut für Experimente

In eine ähnliche Richtung weist die Entwicklung der New York Times. Ein
Jahr, nachdem der interne Innovation Report die ganze Medienbranche in Aufruhr
versetzt hat, zeigen sich auch im Times-Tower an der 8th Avenue erste
Konsequenzen. Die wichtigste Erkenntnis beim Thema Mobile lautet jedenfalls:
Testen, testen, testen. Zugrunde liegt dieser Strategie eine gewisse Demut,
dass auch die New York Times nicht
die eine Antwort auf alle Fragen bzgl. der digitalen Transformation haben kann. NYT-CIO
Frons sagt dazu: „This is a time for
experimenting with form and content, since no one knows exactly what works best
for serious journalism on the smartphone.“

Experimentieren wird deshalb großgeschrieben, nicht nur in Bezug auf den Inhalt, sondern auch bzgl. des
Geschäftsmodells. Bisherige Tabuthemen wie Native Advertising werden genauso
ausprobiert wie neue Erzählformen in der durchaus erfolgreichen App NYT Now. Ziel sei es, durch und durch
eine „Mobile first“- Company zu werden. „The
next phase is to create content, tools, technology and advertising tailored
specifically for mobile“
, so Frons.

Dieser Fokus auf Mobile kommt beispielsweise auch durch einen Indikator zum Ausdruck, der für Marc Frons
entscheidend ist für den richtigen strategischen Kurs eines Medienunternehmens
im Jahr 2015: So sollte sich das Verhältnis der Ausgaben bzw. der Mitarbeiter
von Online und Mobile bei mindestens 50/50 bewegen, andernfalls wird man von
der Entwicklung abgehängt. Denn Frons ist davon überzeugt, dass sich Mobile
auch strukturell im Unternehmen niederschlagen muss: „Not only are we focusing more technology resources on mobile
development, we are also rethinking how our newsroom and product development
teams operate so that we can become a mobile-first company.“

Der Wille, beim Thema Mobile etwas zu tun, ist also bei beiden
renommierten Zeitungsverlagen in den USA stark vorhanden. Beide haben die
Zeichen der Zeit erkannt und wissen: Mobile ist bereits jetzt die dominante
Plattform, und wird diese Stellung in naher Zukunft noch weiter ausbauen.
Deshalb passen sie ihre Strukturen an und behelfen sich innovativen
Arbeitsmethoden wie Design Thinking oder Fast Prototyping, um so in schneller
Abfolge neue Mobile-Angebote entwickeln zu können. Diese Arbeitsweise erlaubt
ihnen, die veränderten Nutzungsbedürfnisse ihrer Leser bestmöglich zu verstehen
und so gleichzeitig den neuen, mobile-nativen Wettbewerbern die Stirn zu
bieten. Eine entscheidende Rolle nimmt bei beiden Verlagen die
Experimentierfreude ein („it might be
serendipitous“),
denn es herrscht die Überzeugung, dass man nur durch das
Ausprobieren erfolgreich sein wird.

Mobile-Workshop bietet Raum zum Experimentieren

Auch im deutschsprachigen Markt nimmt die Mobilenutzung stark zu, und innovative News-Start-ups wie Watson oder Niuws versuchen sich mit ihren mobile-only Angeboten bereits am Markt zu etablieren. Deshalb müssen sich auch hierzulande die
etablierten Zeitungsmarken fragen, wie es um ihre eigene Mobile-Strategie
steht. Dies gilt umso mehr, nachdem Google mit seinem Mobile-Update solche
Webseiten niedriger in der Suchanfrage auflistet, die noch keine Optimierung
für Mobile vorgenommen haben.

Deshalb bieten wir Ihnen mit unserem ganztägigen Workshop-Format „Mobile
Check-up“ die Möglichkeit, Ihre individuelle Mobile-Situation auf den Prüfstand
zu stellen. Dabei zeigen wir Ihnen, abgestimmt auf Ihren jeweiligen Bedarf, die
Potentiale von Mobile in Ihrem Verlag auf, testen mit Ihnen gemeinsam innovative
Arbeitsmethoden, wie sie z.B. auch von der Washington Post angewendet werden,
und definieren die wichtigsten Umsetzungsschritte für erfolgreiche
Mobile-Produkte. Mehr Informationen hierzu finden Sie hier.

Foto:

Sascha Kohlmann, CC BY-SA 2.0